Informationslage zu ME/CFS und bessere Versorgung für Betroffen

Ständerat Wintersession 2022

Ständerat Damian Müller konfrontiert den Bundesrat und das BAG mit seiner Untätigkeit in Sachen ME CFS im Parlament.


Ständerat Wintersession 2022 Achte Sitzung 12.12.22 15h15

Müller Damian (RL, LU): In den letzten Wochen sind zahlreiche Berichte über die myalgische Enzephalomyelitis/das chronische Fatigue-Syndrom (ME/CFS) erschienen - und ich bin wirklich erschüttert: Das sind Menschen, die ihre Träume begraben müssen, Menschen, die seit Jahren in abgedunkelten Zimmern leben müssen und doch nicht aufgeben. Was mich besonders nachdenklich stimmt, ist die Ohnmacht, der die Betroffenen, ihre Familien und ihr Umfeld tagtäglich ausgesetzt sind. Für die Krankheit gibt es keine wirkungsvolle Therapie. Es ist schwierig, eine Diagnose zu erhalten, und wirklich anerkannt ist die Krankheit nicht. Trotzdem hoffen die Betroffenen, dass jetzt endlich etwas passiert - jetzt, da klar ist, dass Covid-19 unter anderem zu ME/CFS führen kann; jetzt, da Carmen Scheibenbogen, Trägerin des Bundesverdienstkreuzes für ihre ME/CFS-Forschung, gesagt hat, ME/CFS sei die schlimmste Form von Long Covid.

Aber bis jetzt ist einmal mehr nichts passiert, und dieses Nichts widerspiegelt sich in der Stellungnahme des Bundesrates. Er anerkennt zwar erneut, dass es sich bei ME/CFS um eine schwere, komplexe Krankheit handelt, die die Betroffenen stark belastet. Vor allem schiebt der Bundesrat aber die Verantwortung an die Kantone ab, ebenso wie an Fachorganisationen, die es notabene noch gar nicht gibt.

ME/CFS ist seit den Sechzigerjahren bekannt, wurde aber kaum wahrgenommen, dies obwohl es in der Schweiz rund 16 000 Menschen gibt, die daran erkrankt sind, also mehr als von Multipler Sklerose betroffen sind. Die Krankheit ist nicht harmlos, denn die Betroffenen haben im Vergleich mit anderen schweren Erkrankungen eine sehr niedrige Lebensqualität. Ich frage mich ernsthaft, wieso den betroffenen Menschen nicht schon lange Hilfe angeboten wird, und ich wundere mich, dass der Bundesrat und das Bundesamt für Gesundheit kaum über Informationen verfügen.

Unter anderem dank ihrer guten Gesundheitsversorgung hat die Schweiz die Pandemie gut gemeistert. Ich bin daher einigermassen erstaunt, dass das BAG und der Bundesrat nicht selbst aktiv werden, obwohl es sich bei ME/CFS nachweislich um eine der schlimmsten Folgen des Covid-Virus handelt.

Sehr geehrter Herr Bundesrat Berset, als Bundespräsident werden Sie im nächsten Jahr häufig im Ausland unterwegs sein. Sprechen Sie mit Ihren Amtskollegen in Deutschland, Grossbritannien, Dänemark, Österreich und den USA. Sie werden hören: Diese Länder tun für die Betroffenen mehr als die Schweiz, und dies aus gutem Grund. Deutschland rechnet mit einer Verdoppelung der ME/CFS-Zahlen - und die Schweiz? Wir dürfen nicht länger wegschauen. Helfen wir den Betroffenen, unterstützen wir den Aufbau von Fachorganisationen, fördern wir die Forschung zu ME/CFS, stellen wir der Ärzteschaft, den Spitälern und der IV die nötigen Informationen zur Verfügung und geben wir den Betroffenen ein Zeichen, dass sie nicht in ihren abgedunkelten Zimmern zurückgelassen werden, sondern, dass sie hoffen können.
Sehr geehrter Herr Bundesrat, bitte werden Sie aktiv.


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