Zweite offizielle Schweizerstudie über ME/CFS

Zweite offizielle Schweizerstudie über ME/CFS unter Federführung des renommierten Schweizerischen Tropen- und Public Health-Institutes (Swiss TPH) und der Universität Basel.

Mitwirkende: Rea Tschopp, Rahel S. König, Protazy Rejmer und Daniel H. Paris.

Mit der finanziellen Unterstützung von ME/CFS Schweiz


 

Myalgic Encephalomyelitis/ Chronic Fatigue Syndrome (ME/CFS): a preliminary survey among patients in Switzerland.

Zusammenfassung:

169 Personen aus 20 Kantonen vorwiegend der Nordostschweiz haben an dieser Übersichtsstudie in der Schweiz teilgenommen. Es sind mehrheitlich Frauen (72.2%) im Arbeitsalter (25-64 Jahre). Aber weniger als ein Drittel ist wirklich arbeitsfähig. Ein erstaunlich grosser Anteil ist Akademiker; - sie machen fast ein Drittel der Teilnehmer aus und fast ein Fünftel arbeitet in einem medizinischen Beruf. Erstaunlich wenige sind landwirtschaftlich beschäftigt oder Gärtner (2%).

Krankengeschichten:

Das Durchschnittsalter bei Krankheitsbeginn ist 31.6 Jahre. Bei den meisten beginnt das Leiden während den produktiven Arbeitsjahren (25 bis 64), nur bei 25 Patienten vor dem 18. Geburtstag. Die durchschnittliche Dauer im Zeitpunkt der Studie beträgt 13.7 Jahre, wobei mehr als die Hälfte über 10 Jahre leidet.

Fast alle bringen den Anfang ihres Leidens mit einem bestimmten Geschehen in Zusammenhang. Unter den 117 Patienten die eine Infektion mit dem Beginn in Zusammenhang bringen, steht ursächlich das Epstein-Barr-Virus an erster Stelle (59%).  Virale Infekte werden von den meisten Teilnehmern genannt. Respiratorische Infektionen machen ein Drittel  aus, Infektionen des Magen-Darmtraktes  15.4%.

Ein Drittel sieht ein einziges Geschehen in Zusammenhang mit dem Ausbruch. Die Mehrheit führt ihr Leiden aber auf eine Kombination verschiedener Geschehnisse im gleichen Zeitraum zurück.

Patienten die Ihr Leiden auf ein einziges Ereignis zurückführen, halten einen Infekt für verantwortlich (72.9%). Deutlich seltener wird eine Episode von «extremem Stress» als Ursache vermutet (8.5%). Noch seltener steht ein chirurgischer Eingriff am Anfang (3.4%). Nur wenige bringen ihr Leiden mit einem psychischen Trauma (1.7%) oder einem Auslandaufenthalt (1.7%) in Zusammenhang. 4 Patienten erwähnten eine Impfung als Auslöser. Depression und körperliches Trauma werden nie als einzige Ursache empfunden.

Auch bei Patienten die in einer Kombination von Ereignissen die Ursache ihrer Beschwerden sehen, stehen Infektionen im Vordergrund (80.6%). 3 Patienten fürchten einen Zusammenhang mit ihrem Krebsleiden (Brustkrebs, Darmkrebs). 16 Patienten vermuten einen Zusammenhang mit einer Impfung. 2 Patienten vermuten Medikamente als Auslöser und 3 Patienten erlitten einen Labor Unfall mit Kontakt zu Blei und Stickstoff Oxid.


Krankheitsbeginn und Verlauf

Bei 63 Patienten (38%) beginnt die Krankheit allmählich und die Beschwerden nehmen innerhalb eines Jahres langsam zu. Bei fast gleichvielen (36.7%) entwickeln sich die Symptome innerhalb eines Monats, während ein Viertel der Patienten ihr Leiden mit einem Ereignis in Zusammenhang sehnen, das mehr als ein Jahr zurückliegt. Bei 8 Patienten entwickeln sich die ersten Beschwerden rasch, werden aber durch zusätzliche Ereignisse verstärkt. Gut die Hälfte der Teilnehmer beschreiben ihre Beschwerden als zunehmend,   andere als wechselnd  zwischen leichten und schweren Perioden. Nur ein Fünftel empfindet  die Beschwerden würden nachlassen; aber keiner fühlt sich vollkommen geheilt. Viele sind mindestens einmal für längere Zeit bettlägerig, und ein Viertel muss mindestens einmal hospitalisiert werden. Frauen die nach dem Ausbruch ihres Leidens schwanger werden beschreiben den Verlauf während der Schwangerschaft als wechselnd. Bei einigen hat die Schwangerschaft die Symptome verstärkt, fünf sind der Ansicht die Schwangerschaft habe die Schwere des Leidens nicht beeinflusst, und fünf haben den Eindruck es ginge ihnen sogar besser. 2 Teilnehmer sind wegen der Muskelschwäche gestürzt und haben sich dabei Knochen gebrochen. Ein schwer bettlägeriger Patient ist nach Abschluss der Studie verstorben.

3 Teilnehmer beobachten bei ihren Kindern ähnliche Symptome und erwähnen einen möglichen Zusammenhang mit Epstein-Barr Virus, Lyme disease (borreliose) und Impfung. Ein Patient erwähnt bei seinem Bruder wären ähnliche Symptome aufgetreten.


Symptome die in Zusammenhang mit me/cfs beschrieben werden.

Lähmende Müdigkeit wird von allen Teilnehmern beschrieben. Die 5 wichtigsten Symptome  sind:

  1. Schmerzen (89.3%)

  2. Intellektuelle Beeinträchtigung (88.3%)

  3. Post Exertion malaise (88.2%) (Unverhältnismässige Erschöpfung nach Anstrengungen).

  4. Lärmempfindlichkeit (82.2%)

  5. Muskelschwäche

Die Zahl unterscheidbarer Symptome wie sie von einzelnen Patienten empfunden werden, variiert zwischen 3 und 22; im Mittel sind es 13.

Alle Teilnehmer kennen Ereignisse die ihre Beschwerden auslösen (Triggers). Als wichtigsten Anlass nennen sie körperliche Anstrengung (88.7%), gefolgt von allgemeinem Stress (82.8%), Schlafmangel (79.3%) und geistige Arbeit (70.4%). Nach einer Anstrengung entwickeln sich die Symptome allmählich und nehmen an Intensität zu. Bei den meisten Teilnehmern erreichen sie den Höhepunkt nach 24 Stunden (72.6%), etwas mehr als ein Viertel (27.4%) leidet nach 48 Stunden am meisten, bei einer Minderheit (8.3%) wird die Spitze erst nach Tagen erreicht. Alle bestätigen, dass die Schwere und Länge des Triggers die Intensität der Symptome bestimmt. Die Mehrheit berichtet, dass die Symptome nach einer Woche abklingen.


Selbst mitgeteilte Begleitkrankheiten

Ein Grossteil der Teilnehmer leidet an Begleitkrankheiten (82.2%), am häufigsten an Allergien (40.3%). An anderen Leiden stehen im Vordergrund: Überbeweglich der Gelenke, Morbus Scheuermann, Marfan Syndrom, Ehlers-Danlos Syndrom, Sjögrens Syndrom, und  seltene genetische  Störungen.


Einschränkungen gegenüber dem Vorzustand

Alle Teilnehmer leiden darunter, dass me/cfs ihre Arbeitsfähigkeit einschränkt. Fast alle (95.8%) schätzen ihren Verlust an Leistungsfähigkeit auf 50% oder höher ein. Dabei sind viele so schwer beeinträchtigt, dass sie ans Haus gebunden oder sogar bettlägerig sind.

Nur 13 Teilnehmern sind bereits im Rentenalter. Aber viele Teilnehmer im Arbeitsalter sind überhaupt nicht mehr arbeitsfähig (59.7%), 55 (35%) noch teilweise. Nur sieben (4.5 %) stehen noch voll im Arbeitsprozess. Mit Ausnahme eines einzigen Teilnehmers sind alle der Ansicht, me/cfs sei die Ursache ihrer Einschränkung. Dabei sind alle täglichen Arbeiten betroffen. Die Mehrheit (98.2%) schränkt zuerst ihre gesellschaftlichen Aktivitäten und ihre Freizeit ein. Als nächstes nennen sie die Haushaltspflichten (92.3%), Familienleben (87.0%), und Eheleben (77.5%). Nur einzelne (3%) finden, dass sie ihr Alltagsleben wie vor Ausbruch des Leidens führen können.

Ein Versuch das Ausmass der Behinderung quantitativ zu erfassen, scheitert an den Schwankungen zwischen Remissionen und Rückfällen. Viele versuchen ihre Aktivitäten durch Tages- und Wochenpläne auf das Wesentliche zu fokussieren, indem sie sich jeden Tag auf eine wichtige Ausgabe konzentrieren und anderes vernachlässigen.


Zusammengefasst

Diese Studie zeigt, dass all Patienten gemeinsame Ursachen, Symptome und tägliche Beeinträchtigungen teilen. Wahrscheinlich gibt es unter-Gruppen. Die Studie bezeugt dass, die allgemeine Krankheit’s Belastung hoch ist (i.e. Symptomen, zusaetzliche Leiden, Sozio-wirtschaftliche Konsequenzen). Demzufolge, empfehlen wir, dass das allgemeine Wissen der Krankheit dringend verbessert wird, sowie die Krankheit Anerkennung und Akzeptanz (i.e Gesundheitssystem, Gesellschaft). Inter-Disziplinäre Zusammenarbeit soll die frühe Diagnose und langfristige Patienten Versorgung verbessern. Zusätzlich, muss Forschung und Klinische Protokolle gewährleisten, dass die Patienten, die an ME/CFS in der Schweiz leiden optimal versorgt werden.