fritzundfraenzi.ch: Das unsichtbare Leiden nach der Pandemie

Kopfschmerzen, Erschöpfung, Konzentrationsschwierigkeiten: Von Long Covid können auch Kinder und Jugendliche betroffen sein. So wie die 15-jährige Lea aus Zürich. Die Schülerin ist an ME/CFS, einer besonders schweren Ausprägung, erkrankt.

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Text: Sibille Moor

Jugendliche Flausen treiben so manchen Eltern den Schweiss auf die Stirn. Erika Sjögren aus Zürich hingegen wünschte sich, ihre Tochter Lea hätte Flausen im Kopf. Sie würde zu spät nach Hause kommen oder Unfug anstellen.

Doch im Kopf der 15-Jährigen ist nur dieser Nebel, der sie Wörter und Dinge vergessen lässt. Da ist der Schmerz, wenn sie sich übernommen hat. Der Schwindel, wenn sie aufsteht. Die Licht- und Lärmempfindlichkeit. Die komplette Energielosigkeit. Deshalb verbringt Lea viel Zeit auf dem Sofa liegend, im abgedunkelten Wohnzimmer.

Am Anfang steht Covid

Lea leidet an ME/CFS, das sich bei ihr aus Long Covid entwickelt hat. Die Abkürzung steht für Myalgische Enzephalomyelitis / Chronic Fatigue Syndrome. So komplex der Name, so komplex das Krankheitsbild. ME/CFS wird von der WHO seit 1969 als neuroimmunologische Erkrankung eingestuft, die oft zu einem hohen Grad an körperlicher Behinderung führt.

Dennoch ist die Krankheit weitgehend unerforscht. Ein Grund ist, dass sie lange Zeit als psychosomatisch abgetan wurde – und noch immer wird. Ein anderer, dass sie schwer zu diagnostizieren ist. Auslöser für ME/CFS ist häufig eine Virusinfektion, zum Beispiel Influenza oder das Epstein-Barr-Virus, welches das Pfeiffersche Drüsenfieber verursacht, und – wie im Fall von Lea – Sars-Cov-2.

Die Symptome von ME/CFS sind vielfältig und reichen von einer schweren Fatigue, also einer extremen Erschöpfung, über Schlafstörungen und Reizempfindlichkeit bis hin zum sogenannten Brain Fog, der zu Konzentrations- oder Wortfindungsstörungen führt. Häufig tritt eine orthostatische Intoleranz auf, das heisst, sobald Betroffene aufsitzen oder -stehen, kommt es zu Schwindel, Unwohlsein, Seh- und Hörstörungen oder Herzrasen.

Pacing: Die wichtigste Therapie

Charakteristisch sind zudem die sogenannten Crashs: Dabei verschlechtert sich der Gesundheitszustand nach körperlicher oder geistiger Belastung. «Der Crash erfolgt in der Regel ein bis drei Tage nach der Belastung und kann Tage oder Wochen andauern», sagt Maja Strasser, Fachärztin für Neurologie, die sich in ihrer Praxis in Solothurn auf die Behandlung von Long Covid spezialisiert hat. Ein Crash könne auch irreversibel sein, das bedeutet, Betroffene erholen sich nicht mehr davon. Das kann so weit gehen, dass sie nur noch liegen können, von Reizen möglichst abgeschottet.